Woche 12: Windstille

Woche 12: Windstille

18. Januar 2021 Aus Von Moni

Und zack – schon wieder sind zwei Wochen vorbei. Letzte Woche wollte ich vom großen Kick-off des WOL #FrauenStärken Programms schreiben. Aber schon in der Einleitung merkte ich: Ich habe dazu eigentlich nichts mehr zu sagen, was nicht schon auf Twitter oder LinkedIn stehen würde. Diese kleine “Schreibblockade” ist nur ein Ausdruck eines Gefühls, das ich seit einiger Zeit habe: Ich stecke fest. Nach dem Gedankensturm in Woche 6 herrscht jetzt Windstille.

Noch vor ein paar Wochen habe ich mir in einem Kommentar auf LinkedIn gewünscht, dass ich irgendwann mal in meinem Blog schreiben kann: “Was letzte Woche passiert ist: Nichts.” Tja, manche Wünsche gehen ziemlich schnell in Erfüllung! Natürlich ist es nicht wahr, dass nichts passiert ist. Zum Beispiel hatte ich Zwischenprüfung in meinem Sprecherkurs – solide 83% kamen dabei heraus, was in Schulnoten umgerechnet einem “gut” entspricht. Ich habe es nach fast zwei Jahren endlich geschafft, meinen Elektroschrott zum Wertstoffmobil zu bringen. Ich habe bei einem Umzug geholfen und Kisten ausgepackt, Bilder aufgehängt, den Arbeitsplatz angeschlossen und das leckerste Sushi meines bisherigen Lebens gegessen. Ich hatte Woche 1 mit meinem Circle aus lauter tollen Frauen.

Pluralismus der Postmoderne – oder: first world problems.

Ich bin gut beschäftigt. Aber ich komme nicht voran. Ich habe das Gefühl, in den ersten Wochen wahnsinnig viele Erkenntnisse über mich selbst, meine Werte, meine Wünsche gesammelt zu haben. Aber was nützen mir die tollen Erkenntnisse, wenn ich sie nicht in Aktionen übersetze? Und genau an dieser Stelle hänge ich. Ich weiß nicht, wie. Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Eigentlich stehen mir alle Türen offen – aber ich stehe im Vorzimmer und kann mich nicht entscheiden, durch welche ich gehen soll. Ich fühle mich wie paralysiert. Der Pluralismus der Postmoderne.

Oder vielleicht: Mir fehlt noch der Mut, die notwendigen Konsequenzen aus den Erkenntnissen der letzten Wochen zu ziehen. Würde eine Freundin mir diese Situation schildern, würde ich sie liebevoll ansehen und fragen: “Was ist das schlimmste, das passieren kann?” Ja, was eigentlich? Naja, mein Leben könnte komplett auf den Kopf gestellt werden. Mal wieder. Vielleicht sehne ich mich einfach mal danach, nicht ständig alles infrage zu stellen. Und weiß gleichzeitig, dass ich nun mal so bin.

Zu allem Überfluss: Corona-Müdigkeit

“Wachstum ist schmerzhaft. Veränderung ist schmerzhaft. Aber nichts ist schmerzhafter , als irgendwo festzustecken, wo du nicht hingehörst.” Diesen klugen Satz von Mandy Hale habe ich kürzlich auf Instagram geteilt. Mittlerweile bin ich mir nicht mehr so sicher, ob er wahr ist. Gefühlt habe ich gerade einige Wachstumsschmerzen – manche auch coronabedingt. In den letzten Wochen habe ich mich immer mal wieder einsam gefühlt. Ich vermisse es, mit Freunden an meinem Tisch zu sitzen, gemeinsam zu essen. Oder einen Spieleabend zu machen. Tanzen zu gehen. Ich vermisse es sogar, meine Familie zu besuchen. Ich bin müde, möchte nicht mehr permanent vorsichtig sein und Abstand zu anderen Menschen halten. Ich möchte umarmen, küssen, High Fives verteilen und Hände schütteln. Rational weiß ich, dass das irgendwann wieder gehen wird. Emotional ist es gerade schwierig, darauf zu verzichten.

Aber es wäre auch zu billig zu behaupten, Corona wäre an allem schuld. Viele meiner Wachstumsschmerzen haben nämlich nichts mit dem Virus zu tun. Ich merke, dass ich mich in chaotischen Umfeldern wohlfühle – und habe Angst davor, die Sicherheit meines Großkonzerns zu verlassen. (Na gut, auch da gibt es mehr als genug chaotische Umfelder…) Ich nehme wahr, wie ich aufblühe, wenn ich das Gefühl habe, an etwas Gutem zu arbeiten – und habe Angst davor, mein gutes Gehalt einzutauschen gegen eine Arbeit am Gemeinwohl. Ich spüre, wie wichtig mir offene und authentische Kommunikation sind – und befürchte, dass es anderswo auch nicht besser ist. Finanzielle Absicherung vs. sinnhafte Beschäftigung – ich hätte nicht gedacht, dass das in mir so einen Kampf auslösen würde.

Good vs. evil – nicht.

Ich will damit übrigens mitnichten sagen, dass alle Großkonzerne böse sind und an der Zerstörung unseres Planeten mitwirken. Ich glaube ehrlich und ernsthaft, dass ich in einem Unternehmen angestellt bin, das viel Wert auf seine Werte legt. (Und ich schreibe das auch nicht, um mir nicht die Rückkehr in mein Unternehmen zu versauen.) Aber wenn wir ganz ehrlich sind, ist es schwierig, sich einzureden, man arbeite an etwas Gutem mit, wenn man in einem Bereich arbeitet, der sich nur um interne Belange kümmert. Da ist das Gute da draußen einfach zu weit weg. Auch wenn es durchaus etwas Gutes sein kann, sich in einem Zentralbereich um interne Belange zu kümmern. Nur für meine Definition von “gut” reicht es nicht aus.

Trust the process.

Und natürlich ist Uschi nicht zufrieden mit den Fortschritten, die ich mache. Aber ich bringe es nicht übers Herz, sie schon wieder zu knebeln und in den inneren Wandschrank zu sperren. Wir müssen uns wohl unterhalten, Uschi und ich. Und dann erkläre ich ihr, was mir mein Trainer im Moderations-Basis-Seminar vor einigen Jahren mal erklärt hat: Trust the process. Das heißt nicht, unvorbereitet in eine Moderation zu gehen. Sondern anzuerkennen, dass auch bei der besten Vorbereitung unerwartete Dinge passieren können. Oder eben auch mal gar nichts. Und dass in einem Workshop genau das passiert, was passieren muss. Also versuche ich, diese Phase auszuhalten. Auch wenn es mich fast wahnsinnig macht. Aber ich vertraue darauf, dass ich die Lösung sehen werde, wenn die Zeit gekommen ist. Trust the process. Trust the process. Trust the process.

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